Motivation für ihr erstes Buch “Wien” (Fotohof edition 2001) war die Entdeckung der Besonderheiten des Wiener Lichts. Thema des Buches war die Darstellung der bestimmten Atmosphäre, die durch dieses weiche, sehr farbenfreundliche Licht geschaffen wird. Eine Bilderfolge malerischer Kompositionen (Doppelseiten) ist entstanden in der sich Abbildhaftes und Formales die Waage halten, und kein übergreifendes inhaltliches Thema den Interpretationsspielraum des Betrachters einschränkt.
Im neuen Buch ist das anders. Aus Bildreihen, die anfänglich unabsichtlich entstanden, einfach durch das immer wieder Vorbeikommen an den selben Orten und Fotografieren zu verschiedenen Tages‑, Jahreszeiten hat sich der Faktor Zeit zum übergreifenden konzeptuellen Thema entwickelt, und es ist damit natürlich auch die Veränderung Wiens in den letzten 10 Jahren zu einem inhaltlichen Thema geworden. Alle Abbildungen sind auf unterschiedlichste Weisen Zeugen dieser Bewegung (des Vergehens) von Zeit: Mehr oder weniger chronologische Abläufe, eine Bewegung in mehreren Phasen, oder nur symbolische Bilder, wie etwa die Baulücke, die auf den Abriss eines Altbaus verweist.
Neben den Einzelbildern entstehen auch kleine Gruppen von Bildern eines bestimmten Ortes (z.B. das Belvedere, das Nordbahnhofgelände,etc.). Das gewählte Hochformat erlaubt doppelseitige große Bilder; Hochformate und Querformate können als Einzelseite oder als Doppelseite erscheinen; durch das Weiterblättern der Seiten werden also Bewegungen und Abläufe in den Bildern filmartig abgewickelt. Die Flüssigkeit der physischen Bewegung des Betrachters wird aber an vier Störstellen zum Stocken gebracht: zwei Mal, indem plötzlich einige Textseiten eingeschoben werden und zwei Mal durch das Unterbrechen von einigen besonders plakativen Doppelseiten.
Der Text von Michael Ponstingl setzt sich mit dem konzepuellen Gehalt des Buches auseinander. Paratexte, also sozusagen bedeutungsschaffende Hintergründe und Nebensachen sowie formale Entscheidungen sollen erhellt werden.