Jean-Pierre Maurer und Robert Müllers Fotoserie Morgan Is Sad Today wurde 1968 erstmals im Kunstgewerbemuseum Zurich gezeigt, begleitet von einem Text des italienischen Designers Ettore Sottsass. Der Titel der Serie stammt von einem Lied aus Karel Reisz Film Morgan, A Suitable Case for Treatment, 1966, das mit der Zeile “sadder than yesterday” weitergeht.
Das war der Beginn eines neuen Filmschaffens, des Free Cinema, das mit Statements wie “No film can be too personal” oder “Perfection is not an aim” propagiert wurde, die auch in der vorliegenden Serie eine Entsprechung finden. Das inszeniert Dokumentarische und die Dokumentation des im Studio Inszenierten erinnert bezuglich der durchdachten,aber dennoch unprätentiösen Konzepte einerseits an Fotoserien Schweizer Kunstler wie Manon oder Urs Luthi, andererseits lassen Formsprache, Motivik und narrative Stränge aber auch Comic-Elemente nachhallen.
Die Aufnahmen fangen den Geist der damaligen Zeit ein: eine Reise durchs mythenbehaftete London der Swinging Sixities und Zurcher Beatbands,die noch Kopf an Kopf auf den Plattencovern posierten oder in Anzugen, schmalen Krawatten und Flamenco-Tänzer-Stiefeletten Grätschsprunge machten. Die Midsixties waren auch die Zeit, als die ersten grossen Schwarz-Weiss-Fotodrucke, sog. Poster, in Umlauf kamen, von Buster Keaton uber den die Zunge herausstreckenden Albert Einstein bis hin zu Trotzki.
Die Fotoserie Morgan Is Sad Today ist in diesem Sinne durchaus auch als eine konzeptuelle Aneinanderreihung von Postern zu lesen. Ettore Sottsass schreibt ohne Glorifizierung, ohneAbwertung, vielmehr mit subtilem Amusement uber die Stimmung der Zeit. Und Sandro Fischli zeichnet, auf dem Hintergrund der Aufnahmen, mal scharf, mal absichtlich ausfransend, eine subjektiv-assoziative Sozial- und Kulturgeschichte der Sechzigerjahre: ein Blick zuruck auf eine Schweiz im wirtschaftlichen Aufschwung, als die Grenzen der Hochkultur zunehmend durchlässig wurden.