Neu aufgelegt: Avedons und Baldwins Klassiker des modernen Fotobuchs
Als Nothing Personal, das gemeinsame Buchprojekt der Schulfreunde Richard Avedon und James Baldwin, 1964 erschien, stellte es die Fähigkeit und Bereitschaft des Publikums, Mehrdeutigkeiten und Widersprüche auszuhalten, auf eine zu harte Probe. Was wollten der renommierte Modefotograf und der gefeierte Autor mit diesem Werk bewirken, das unkommentiert und scheinbar wahllos Fotos schwarzer und weißer, armer und reicher US-Amerikaner einander gegenüberstellte und mit Baldwins bitterbösem Text den gewalt- und rassismusaffinen Kern der amerikanischen Psyche freilegte? Bei seiner Veröffentlichung heftig kritisiert, gilt Nothing Personal heute als Meilenstein des modernen Fotobuchs. Unser Nachdruck wird ergänzt durch ein 72-seitiges Begleitheft mit unveröffentlichten Fotos Avedons, der Korrespondenz der beiden Freunde und einem Essay des Pulitzerpreisträgers Hilton Als.
Avedon, der sich parallel zur Modefotografie schon lange erfolgreich mit der street photography befasste und zahlreiche ikonische Prominentenporträts veröffentlicht hatte, legte mit Nothing Personal sein zweites aufsehenerregendes Fotobuch vor, nachdem bereits 1959 in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Truman Capote der Band Observations erschienen war. In Nothing Personal zeigt Avedon sein politisches Engagement für ein gerechteres Amerika in einer subtil durchkomponierten Reihe von Porträtaufnahmen, die Vertreter des weißen Establishments neben Bürgerrechtsaktivisten zeigt, Popstars neben den Insassen einer Nervenheilanstalt, Künstler, Wissenschaftler, ehemalige Sklaven, das saturierte Amerika und ein traumatisiertes; auf Ex-Präsident Dwight D. Eisenhower folgt Malcolm X, auf den britischen Philosophen Bertrand Russell einer der Bomberpiloten, die den Atombombenabwurf über Hiroshima vorbereiteten, auf uniformierte US-Nazis der nackte, schwule, jüdische Beatnik Allen Ginsberg.
Nothing Personal erschien an einem Wendepunkt der amerikanischen Geschichte, zumindest auf dem Papier: 1964 unterzeichnete Lyndon B. Johnson, Nachfolger des im Vorjahr ermordeten JFK, den Civil Rights Act, ein Bürgerrechtsgesetz, das die Rassentrennung in öffentlichen Einrichtungen aufhob. Bei der Unterzeichnung rief der Demokrat Johnson die Amerikaner dazu auf, „die letzten Überbleibsel der Ungerechtigkeit in Amerika auszuräumen“ und „die Quellen des rassistischen Gifts trockenzulegen“. Ein frommer Wunsch, der an der gesellschaftlichen Realität bis heute wenig ändern sollte. James Baldwin zeichnet in seinem vitriolgesättigten und sehr persönlich gehaltenen Essay das Bild einer verrohten, lieblosen und von Gier bestimmten Gesellschaft, um dann gleichwohl hoffnungsvoll zu schließen: „Man muss Ja zum Leben sagen und es umarmen, wo immer man es findet – und man findet es an schlimmen Orten.“
Das von dem legendären Artdirector Marvin Israel gestaltete Nothing Personal ist ein Triumph des Minimalismus. Das überdimensionierte Buch im eigenen Schuber sowie die markante Anordnung von Texten und Fotos revolutionierten die Aufmachung und Verpackung von Fotobüchern. Dies ist ein originalgetreuer Nachdruck des seit Jahrzehnten vergriffenen Buchs, hergestellt in Zusammenarbeit mit der Richard-Avedon-Stiftung.
Hilton Als, Avedons ehemaliger Kollege beim New Yorker und ein Kenner von Baldwins Werk, zeichnet die Entstehung von Nothing Personal nach, dokumentiert die Freundschaft und kreative Beziehung zwischen Avedon und Baldwin und beschreibt, welch immensen Einfluss Nothing Personal auch auf sein eigenes Leben hatte.
Zeitgleich mit der Veröffentlichung des Buches wird die New Yorker Pace Gallery eine allumfassende Werkschau mit Avedons Fotografien und Dokumenten aus Nothing Personal zeigen.