Brassaï (1899–1984) war der erste und ist bis heute der berühmteste Chronist des nächtlichen Paris. Als der vielseitig begabte gebürtige Ungar 1924 nach Frankreich kam, stürzte er sich nicht nur mit Begeisterung in das Pariser Nachtleben, sondern begann auch bald, auf seinen nächtlichen Streifzügen durch die Stadt zu photographieren. Kaum zehn Jahre später, 1932, erschien sein Buch Paris de Nuit, das ihn schlagartig berühmt machte — ein Klassiker der Photoliteratur und phototechnisch gesehen eine damals unerhörte Meisterleistung. Das Licht, die Existenzbedingung jeder Photographie, reduziert sich in Brassaïs Bildern auf ein paar Bühnenscheinwerfer oder Lampen in den einschlägigen Etablissements, auf spärlich erleuchtete Fenster, eine Straßenlaterne im Nebel, Reflexe auf regennassem Asphalt.
Die großzügige Schenkung von Brassaïs Witwe 2002 an den französischen Staat und die Versteigerung seiner Werkstatt 2006 förderten weiteres Bildmaterial zu Tage und riefen Spezialisten und Photohistoriker auf den Plan. Ergebnis ihrer Arbeit ist dieses große Brassaï-Buch, das sich auf seine Nachtbilder der 30er Jahre konzentriert. Angesiedelt zwischen Reportage, Sozialdokumentation und poetischer Vision, ist Brassaïs nächtliches Paris der Zwischenkriegszeit vor allem auch ein Meilenstein in der Geschichte der Photographie des 20. Jahrhunderts.
Die Autoren: Sylvie Aubenas, Hauptkonservatorin und Leiterin der Abteilung Druckgraphik und Photographie in der Bibliothèque nationale de France.Quentin Bajac, Leiter der Sammlung Photographie im Centre Pompidou und designierter Hauptkonservator für Photographie am Museum of Modern Art, New York.