Das Bedürfnis, sich möglichst exakt über die aktuelle Zeit informieren zu können, war im Lauf des 19. Jahrhunderts stetig gewachsen. Hatten Uhren noch zwei Jahrhunderte zuvor ausschließlich Stundenzeiger aufgewiesen, war der Minutenzeiger inzwischen unverzichtbar geworden. Industrialisierung, Urbanisierung, vor allem aber die rasante Entwicklung des Eisenbahnwesens hatten den Trend zur “Ver(uhr)zeitlichung der Gesellschaft” vorangetrieben.
Fahrplanerstellungen verlangten eine zunehmend größere Genauigkeit der Zeitangabe. Zirkulationen von Gütern und Personen waren aufeinander abzustimmen. berufliche wie private Aktivitäten wurden standardisiert, getaktet und dem abstrakten Rhythmus der Uhr angepasst. Den sozialen und ökonomischen Wert der Zeit zu erkennen, geriet zu einem zentralen Kriterium für den Zivilisationsgrad einer Bevölkerung. Vor allem in bürgerlichen Kreisen war der Gebrauch eines Chronometers bald selbstverständliche Praxis.
Es galt als geschätzte Tugend, die vorhandene Zeit so gut wie möglich zu nützen und keinesfalls zu vergeuden. Taschenuhren fanden weite Verbreitung und fungierten als prestigeträchtige Statussymbole. Und auch die Anzahl der öffentlichen Uhren nahm kontinuierlich zu. Insbesondere die immer komplexer organisierten Großstädte avancierten zu Vorreitern in Sachen öffentliche Zeitanzeige.
Doch während den großen kulturgeschichtlichen Veränderungen der Zeitmessung und ‑wahrnehmung mittlerweile umfassende Studien gewidmet sind, fand der spezifisch urbane Kontext mit seiner forcierten “Veröffentlichung” der Zeit noch wenig Aufmerksamkeit in der historischen Forschung. Die dazu vorliegenden Arbeiten fokussieren vor allem das 14. bis 18. Jahrhundert, nur einige wenige beziehen die Entwicklung seit dem 19. Jahrhundert mit ein.
Diese Lücke am Beispiel von Wien, wo bereits wertvolle Vorarbeiten vorliegen, zu schließen, ist Ziel dieses Werkes.