Albaniens Kulturboden bebauten bereits die Illyrer. Auf sie folgten Griechen, Römer, Byzantiner und Osmanen. Vom Haupthafen Durrës Catull nannte ihn Taberna der Adria führte einst die wichtigste Handelsstraße nach Konstantinopel.
Bevor Tirana 1920 Hauptstadt wurde, waren etwa Shkodra und Korça kulturelle Brennpunkte. Typische Balkanarchitektur findet man in Berat der Stadt der tausend Fenster oder in Gjirokastra und Ohrid. Vielerorts stößt man auf Akropolen, byzantinische Kirchen, osmanische Brücken, Moscheen, Bazare. Auch venezianische, französische und italienische Architektureinflu sse sind ablesbar.
Seit 1990 befindet sich Albanien in einem rasanten Urbanisierungsprozess. Während dieser zunächst ungesteuert verlief, versucht man nun, mit rationaler Stadtentwicklung den öffentlichen Raum zurückzugewinnen. Das Beispiel des Alt-Bürgermeisters von Tirana, Edi Rama, die Plattenbauten ganzer Straßenzüge aus der kommunistischen Zeit (1944–1990) bunt zu übermalen, hat im Land Schule gemacht.
In dieser Stadt der Widersprüche stoßen die verschiedenen Traditionen beispielhaft aufeinander: die alte Moschee, die Monumentalbauten der sozialistischen Ära und die drei modernen Tower, zu denen sich nochsieben weitere gesellen sollen.
Bis in die frühen 1990er Jahre galt Albanien als Europas letztes Geheimnis, weil fast niemandem Zugang gewährt wurde. Mittlerweile ist sein Beitritt in die Europäische Union zwar näher gerückt, immer noch halten sich aber dichte Nebel über dem Land der Skipetaren. Sie zu lichten, dazu will dieser Band mit lokalen Experten einen Beitrag leisten.
Im Fokus stehen die baulichen Entwicklungen des 20. und 21. Jahrhunderts. Der erste große Entwicklungsschub kam in der Zwischenkriegszeit durch das Interesse Italiens an Albanien in Gang. Eine gänzlich andere Entwicklung nahm das Land am südlichsten Balkan nach 1945, als Enver Hoxha zum Diktator aufstieg und es vollkommen abschottete. Für Jahrzehnte entzog sich die Entwicklung des „albanischen Weges“ – ohne Steuern, ohne private Kraftfahrzeuge, ohne Religion – der direkten Kenntnis jedes Fremden.
Mit bislang unveröffentlichtem Bildmaterial aus dem Nationalarchiv sowie aus privaten Sammlungen werden wichtige Stationen vor Augen geführt, bis hin zu den jüngsten Projekten des Schweizer Stararchitekten Valerio Olgiati für die aktuelle Regierung. Textbeiträge rücken die Bauten in den geschichtlich-politischen Kontext.
Aus der Reihe: Architektur im Ringturm 34 (= LVI)